F.A.Q. über die Komplementärwährung Sordi

Was versteht man unter "Sordi", worum handelt es sich?

"Sordi" ist das gängige kalabresische Wort für "Geld". "Sordi" bezeichnet eine Mehrzahl, das Einheitsstück heisst "Sordu". Sordi bestehen aus kleinen Tonscheiben verschiedener Größe, die einzeln durch Handdruckverfahren mit Matrizen aus Holz reliefartig auf beide Seiten gedruckt sind. Sie werden geprägt und gebrannt in Cittanova (Landkreis Reggio Calabria) und werden meistens bei der lokalen Bevölkerung gegen lokale Produkte und Dienste getauscht. Durch seine praktischen Eigenschaften kann das Sordu als lokale Währung benutzt werden, obwohl es ursprünglich als Kunsthandwerksgegenstand gedacht war.

Welchen Wert besitzt das Sordu

Das Sordu wird ursprünglich vom Hersteller hergegeben im Tausch gegen eine lokal vorhandene Ware oder Dienstleistung im Wert der entsprechenden Münze der landesweit anerkannten Währung (zur Zeit Euro). In mancherlei Hinsicht ähnelt das Sordu anderen Formen der lokalen Komplementärwährung wie des Chiemgauers oder des Regio. Wenn man es als Währung betrachtet, besitzt das Sordu außer einem nominalen Wert (durch die Komplementarität mit dem Euro), auch einen innewohnenden Wert, der v.a. aus der Arbeit entsteht, die hinter einem jeden Sordu-Stück steckt.

Aus welchem Grund sind Sordi entstanden?

Es gibt auf dem Gebiet des heutigen Kalabrien, das in der Antike Großgriechenland bezeichnet wurde, eine mindestens 3tausendjährige Tradition von Tongegenständen. Unverändert seit dem Griechischen Altertum, beschäftigen sich noch heute dort zahlreiche Menschen mit der Tonverarbeitung, sei es für Bauziegeln, für kleine Alltagsgegenstände, Gefässe oder tragbare Skulpturen. Ursprünglich wurden Sordi ebenfalls als preisgünstige Souvenirs für die zahlreichen ausländischen Besucher gedacht. Erst mit der Verschärfung der Wirtschaftskrise, mit wachsender Arbeitslosigkeit und sich verbreitender Armut, und mit dem daran geknüpften Absturz der lokalen Wirtschaft, trat die Vorstellung heran, dass solche münzähnliche Objekte die mangelnde Liquidität des lokalen Marktes eventuell ergänzen könnten.

Wie bekommt man sordi?

Prinzipiell bekommt man Sordi nur in Cittanova und Umgebung, da sie dort produziert und umgetauscht werden. Nichts jedoch verbietet sie auch außerhalb des Stammgebietes zu benutzen, insofern ihr innewohnender Wert unter den Tauschpartnern anerkannt wird. Wer nach Cittanova kommt und Sordi erhalten möchte, der sollte etwas eigenes mitbringen, um es gegen sie umzutauschen: Bier, Fachkenntnisse, Arbeitskraft, Euromünzen... im besten Fall werden Sie bei einem lokalen Einkauf Sordi als Retour bekommen.

Warum ist es wichtig, die sordu-lokale Wirtschaft zu unterstutzen?

Es herrscht ein gewisses Ungleichgewicht zwischen den Wirtschaften in Mittel, Nord- und Südeuropa. Im besonderen Fall Italiens ist dies zusätzlich auf nationaler Ebene zu spüren, wobei sich im Norden des Landes die meisten Strukturen und Infrastrukturen konzentrieren, welche die Wirtschaft anregen, während in Süden auch grundlegende lokale Strukturen fehlen, die sonst für eine Europäische Gesellschaft unentbehrlich sind. U.a. keine gut funktionierenden Agenturen für Arbeit, die für Unmengen desorientierte Arbeitslose eine realistische Alternative zur Emigration anbieten könnten. Besonders das Gebiet um Cittanova, die sogenannte Piana di Gioia Tauro, erlebt einen bitteren wirtschaftlichen Tiefpunkt. Enthalten immer weniger Familien Arbeitstätige, so wird auch immer weniger ausgegeben, somit müssen zahlreiche Kleinbetriebe schliessen, und können viele Dienstleister in dem geschrumpften lokalen Markt nicht mehr überleben. Die allgemeine Moral fällt zusammen mit der Wirtschaftslage: Einwohner unter 18 könnten sich heute kaum vorstellen, sich dort auszubilden und zu arbeiten, anstatt - wie es immer mehr als die Regel wahrgenommen wird- sich in Rom, in Mailand, in Ausland ein besseres Leben zu schaffen. Es fehlt jegliche Perspektive, etwas erfolgreiches lokal aufzubauen. Dennoch ist das Gebiet reich an natürlichen Resourcen: Kastanien-, Buchen- und Olivengehölze, Obst und Gemüse, gutes Quellwasser, Kühe und Ziegen, Tourismuspotenzial und noch vieles mehr. Die Einführung des Sordu als zusätzliches Wertobjekt zu dem sonst immer seltener ausgegebenen Euro soll dazu beitragen, dass zunächst die lokale Bevölkerung, und daraufhin die breite Öffentlichkeit darüber Kentniss bekommt, wie wertvoll und resourcenreich ihre Heimat ist, und wieviel sie alleine im lokalen Handel daraus machen könnte anstatt zu emigrieren.

Was unterscheidet die Sordi von bekannten Komplementärwährungen, wie dem Arbeitsschein von Wörgl oder dem Chiemgauer?

So gut wie jede bisher belegte Komplementärwährung setzt einen Herrscher, einen Bürgermeister oder einen Verein voraus, welcher die Wertscheine (aus welchem Stoff sie auch immer bestehen) gegen eine legale Währung umtauscht, und der von der Inanspruchnehmenden Gemeinschaft als vertrauenswürdiger Herausgeber anerkannt wird. Im gelungenen Falle des Schwundgeldes von Wörgl (1931-32), wurde der Arbeitsschein vom Rathaus gegen in dessem Auftrag geleistete Arbeit hergegeben, die Menge an ausbezahltem Schwundgeld entsprach jedoch die Summe in Schillings, die in der dortige Reiffeisenkasse hinterlegt war, ohne deren Wert zu übersteigen.
Bei Sordi dagegen sind die Werteträger keine maschinell gedruckten Papierscheine, die ja kaum einen innewohnenden Wert besitzen, sondern per se werttragende, beständige Objekte. Sie werden zwar alle durch gemeinsame Matrizen und nach demselben Arbeitsvorgang geformt und geprägt, sind jedoch einzeln per Hand angefertigt, jedes Stück unterscheidet sich deshalb mehr oder weniger deutlich von allen anderen.
Es gibt keinen Verein, der die Wertträger herausgibt und deren Umlauf kontrolliert.
Sordi herstellen kann jeder, der dazu fähig ist.
Darüber hinaus ist das Sordu kein richtiges Umlaufgesichertes Geld, da es weder einer Methode voreingestellt worden ist, welche die progressive Wertverminderung regeln soll, noch tragen die Tonscheiben einen Ablaufdatum. Während in den meisten zeitgenössischen Formen der Komplementärwährung das vom Herausgeber verlangte legales Geld (zB. Euro) die Deckung darstellt, beim Sordu stellt die Deckung ganz einfach die Zeit, die Kenntnis und die Arbeit dar, die hinter seiner Herstellung liegen.

Kann man also Sordi auch anhäufen, wie es mit Geld üblich ist, da keine regelmässige Preisverminderung für die Wertträger vorgesehen ist?

Die einzige Garantie, dass niemand auf die Idee kommt, Sordi anzuhäufen mit dem Ziel Kapital anzusammeln, anstatt die Sordi in den Umlauf zu geben, besteht darin, dass das Sordu immerhin eine Ware ist. Es gibt in dem lokalen Wirtschaftssystem keinen vertrauenswürdigen Akteur, der jemals dafür bürgen könnte, dass wenn 1 Sordu den Wert von 1 Euro hat, dann auch 3000 Sordi den Wert von 3000 Euro haben! Bei größeren Mengen verhält sich das Sordu deutlich mehr wie Ware als wie Währung. Mengenrabatt ist ja mit herkömmlichem Geld nicht denkbar...

Wer bereichert sich mit den Sordi?

Mit Sordi bereichern sich alle Beteiligten des Umlaufs von Sordi: der Hersteller leistet eine Arbeit bei der Herstellung, die durch Produkte oder Dienste die er braucht gelohnt wird. Diejenige, die dann Sordi bekommen, können jenen Wert durch Sordi mit anderen Dingen oder Dienstleistungen umtauschen, die sie gerade brauchen. Das System im Komplex bereichert sich, indem mehr Ware da ist, die nicht von woanders durch Tausch mit Währung gekauft wurde, Währung die ihrerseits selbst von woanders geliehen wurde (und woanders verzinst zurück muss). Alles zur Herstellung nötiges Material ist eine schon vorhandene lokale Resource, Arbeit und Technologie ebenso. Laut Ökonomen wie Peter Schiff, sind dies Wesensmerkmale gesunden Wirtschaftswachstum.

Sind schließlich Sordi überhaupt eine Form von Währung?

Sordi sind keine Währung, sondern tragen alle Eigenschaften einer Ware, die man leicht in der Kategorie "Kunsthandwerkgegenstände" anordnen kann. Ob sie unter Umständen auch die Eigenschaften einer Währung besitzen können, und infolgedessen sie als Währung und nicht als Ware von der Gemeinschaft gehandhabt werden, das liegt bei den Sordi nicht in einem autoritären Gebot, höchstens in einer autoritätsbeladenen Empfehlung, jedoch grundsätzlich im freien Selbstbestimmungsvermögen der einzelnen Menschen.


Created on ... Juni 02, 2013